„Heimat auf der Haut“

Trachten können ein spannender Stoff sein. Wie haben die Menschen in dieser Region gelebt? Welche Bräuche haben sie gepflegt? Waren sie reich oder arm, gläubig oder nicht? Eher selbstbewusst oder zurückhaltend? Wenn man sie „be-tracht-et“ derzeit im Weinheimer Museum am Amtshausplatz, kann man die Kleidung lesen wie ein Buch – „wie ein textiles Geschichtsbuch“, wie Bürgermeister Andreas Buske bei seiner Begrüßung zur Eröffnung der Trachtenausstellung betonte. Die Trachtenausstellung „Gut be-Tracht-et“ ist ein Vorbote auf das große Wochenende im Zuge der Landesfesttage, die in Weinheim vom 12. bis 14. September einen weiteren Höhepunkt der Heimattage Baden-Württemberg bilden.

Sie stimmt schon einmal ein auf den Landesfestumzug, der am Sonntag, 14. September, durch die Straßen zieht – von der Peterskirche bis zum Schlosspark. So lange ist auch die Ausstellung zu sehen, die vom Landesverband der Trachtenvereine in Baden-Württemberg zusammengestellt worden ist; ergänzt durch die Woinemer Kerwetracht, die der Heimat- und Kerweverein beigesteuert hat.
Trachten aus ganz Baden-Württemberg, aber auch aus Regionen, die Menschen aus ihrer alten Heimat mitgebracht haben, sind nun in den Räumen des Museums zu betrachten. Ein paar Beispiele: Zur Weinheimer Ratsherrentracht trägt der Mann den Dreispitz, eine rote Weste und einen Schirm. Der Rock seiner Begleiterin ist aus Wolle, ihre Schürze aus Samt. Eine kunstvolle schwarze Haube aus Hirrlingen im Schwarzwald, für deren Anfertigung man 60 Arbeitsstunden aufwendete. Ihre Gäu-Tracht tragen verheiratete Frauen in der Gemeinde im Landkreis Tübingen, der zum Trachtengau Schwarzwald gehört. Oder ein auffälliger Dreispitz aus Öhringen, Teil der Hohenloher Tracht. An Festtagen steht die verlängerte Spitze des Hutes am Hinterkopf nach oben. Bei Regen wird dieser Hutteil nach unten geklappt, damit der Rücken nicht nass wird. Bei Sonne dreht der Öhringer seinen Filzhut komplett und hat dessen langen Teil als Sonnenschutz vorm Gesicht.
Die großen, roten Bollen auf dem Trachtenhut der Schwarzwälder Frauen sind in der Ausstellung am Beispiel der Renchtäler Tracht und der Gutachtäler Rollenhut-Tracht zu sehen. Neben den in Trachtenmontur steckenden Schaufensterpuppen geben Schautafeln Auskunft über Details der Kleidung und ihre Historie.
„Mehr als ein Stück Stoff“
„Es ist ein ahnungsloses Vorurteil, dass Trachten etwas Verstaubtes an sich hätten, altmodisch seien oder gar spießig. Wer sich ein bisschen mit dem Thema beschäftigt merkt, das alles ist mitnichten der Fall“, erklärte Bürgermeiszer Andreas Buske. Trachten, so der Bürgermeister, stünden sehr wohl für das Weinheimer Heimattage-Motto „Heimat ist ein Gefühl“, denn mit der Tracht tragen viele Menschen die Heimat direkt am Herzen, egal, wo sie gerade sind, beschrieb er. Er denke auch daran, mit welchem Stolz beispielsweise beim Internationalen Kulturfest die Kinder aus der Türkei oder aus der Ukraine ihre Tracht tragen. Buske: „Tracht ist Heimat auf der Haut.“
Dieselben Gefühle beschrieb die Landtagsabgeordnete Fadime Tuncer, die auch von Trachten aus anderen Kulturen berichtete, die den Menschen, die ihre Heimat verlassen haben, als Erinnerung und Identifikation gelten. „Sie ist mehr als ein Stück Stoff“, stellte sie fest und sprach damit auch Reinhold Frank, dem Vorsitzenden des Landesverbandes der Heimat- und Trachtenvereine Baden-Württemberg, aus dem Herzen. Er stellte in seinem Grußwort fest: „Tracht macht was mit ihren Trägern.“
Anita Ellinger, Kulturwartin des Landesverbandes, trug bei der Ausstellungseröffnung eine Tracht aus dem Hochschwarzwald und warb noch einmal ausdrücklich für die Trachtenschau, mit der alljährlich in der Heimattage-Stadt die Vielfalt der festlichen Kleidung demonstriert wird. Anita Ellinger wird am 14. September auch öffentlich den Landesfestumzug moderieren. Manfred Maser und Gitarrist Bernd Windisch umrahmten die Eröffnung passend musikalisch. Maser besang in Mundart die Liebe zum „Ourewold“.
Die Ausstellung „Gut be-Tracht-et“ ist bis zum 14. September im Museum der Stadt Weinheim, Amtsgasse 2, zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag von 14 bis 17 Uhr, sonntags von 10 bis 17 Uhr.