Die Erinnerung als Auftrag

Drei Nächte und zwei Tage waren die Züge aus Baden und der damaligen Saarpfalz im Jahr 1940 unterwegs, bis sie den Bahnhof Oloron-Sainte-Marie am Nordrand der Pyrenäen erreichten. Passagiere waren über 6500 Jüdinnen und Juden, die aus ihren Wohnungen geholt, zu den Bahnhöfen getrieben und in Züge verladen wurden, darunter auch etliche Personen aus Weinheim. Sie wurden von den Nazis in den Schlosshof getrieben und auf Lastwagen geladen.

Im Lager Gurs fanden rund 1000 Menschen unter unmenschlichen Bedingungen den Tod. Etwa zwei Drittel der Deportierten wurden später in Vernichtungslager gebracht und dort ermordet. Nur wenige überlebten den Terror der nationalsozialistischen Machthaber. Das alles geschah im Oktober 1940 – vor 85 Jahren. Anlässlich des Jahrestags der Deportation reiste nun eine Delegation aus den Kommunen sowie aus den Ministerien Baden-Württembergs, des Saarlands und Rheinland-Pfalz zur Gedenkveranstaltung nach Gurs. Organisiert wurde die Reise von der Arbeitsgemeinschaft zur Unterhaltung und Pflege des Deportiertenfriedhofs in Gurs, die seit Jahren in der regionalen Erinnerungsarbeit aktiv ist.
Als Weinheimer Delegation nahmen Weinheims Oberbürgermeister Manuel Just gemeinsam mit seiner Referentin Gabi Lohrbächer-Gerard sowie Kerstin Treber-Koban und Daniel Schwöbel aus dem Gemeinderat an der Reise teil.
Neben der Gedenkveranstaltung auf dem Friedhof und der Besichtigung des Lagergeländes stand auch der Austausch mit den französischen Gastgeberinnen und Gastgebern auf dem Programm. Was vor 85 Jahren in Baden, der Pfalz und im Saarland geschah, bleibt schwer zu begreifen – für alle.
„Wir dürfen die Erinnerung an diese Ereignisse nicht verlieren“, appellierte Weinheims Oberbürgermeister Manuel Just vor Ort. Gerade angesichts eines weltweit wachsenden Antisemitismus und kriegerischer Handlungen mit rassistischen und menschenverachtenden Begleiterscheinungen, sei die Erinnerung ein Auftrag der Geschichte.
Stadträtin Kerstin Treber-Koban schilderte ihren Eindruck: „Ein traumhafter Herbstwald, gewachsen auf einem Alptraum.“ Durch den direkten Kontakt und die Gespräche, die sie tief berührt haben, sei ihr deutlich geworden, wie gegenwärtig für Jüdinnen und Juden Schmerz, Verlust und Mangel an Menschlichkeit sein müssen angesichts des historischen Leids ihrer Vorfahren. Ihre Folgerung: „Das Treffen in Gurs zeigt mir, dass wir diesen Schmerz auch in Zukunft gemeinsam mit ihnen tragen müssen.“
Stadtrat Daniel Schwöbel erklärte: „Die Schrecken und Grausamkeiten von Gurs, die während der Besichtigung nur zu erahnen waren, haben mich tief bewegt.“ Auch wenn man die Geschichte kennt, sei dieses „unfassbare Versagen von jeglicher Menschlichkeit kaum zu ertragen“. Schwöbel: „Umso mehr muss es unsere Aufgabe sein, die Erinnerung wach zu halten und gerade in der heutigen Zeit muss es Ziel und Aufgabe aller Demokraten sein, gegen jeglichen Rechtsextremismus aufzustehen.“  
„Wir müssen unseren Einsatz für Demokratie, Frieden, Menschenwürde und das Gedenken an das Unrecht von 1933 bis 1945 massiv verstärken“, betonte Christine Streichert-Clivot, Kultusministerin des Saarlandes und Vertreterin der Länder Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Saarland, vor Ort. Sie betonte, dass die drei Bundesländer sich zum Ziel gesetzt haben, die Erinnerung an die Deportierten und die Gräber der in Südfrankreich Bestatteten zu erhalten.
Im Weinheimer Schlosshof steht ein Gedenkstein für die Opfer der Deportation. Am Sonntag, 9. November, dem Gedenktag an die Reichspogromnacht und die Verbrechen der Nazizeit, legen OB Manuel Just und Pfarrer Dr. Stephan Royar einen Kranz nieder. Danach findet ein Gedenkgottesdienst mit Liederabend in der Stadtkirche statt.