Eine Ära geht zu Ende

Alberto Ferrarese mit seinem Bruder Domenico (l.) und seiner Frau Angelika

Eine Legende sagt ciao, ein Küchenmaestro, der die ganze Region beeinflusst hat, geht jetzt in den Ruhestand, zumindest tritt er in die zweite Reihe zurück. Alberto Ferrarese, der Kult-Italiener vom Weinheimer Marktplatz, zieht zum Jahreswechsel die Kochschürze mit den feinen grün-roten Streifen aus und legt sie zur Seite. Nach fast 50 Jahren gibt er seine „La Cantina“ am Weinheimer Marktplatz ab. Mit 77 Jahren. Die Nachfolge ist gesichert.

Alberto Ferrarese läuft, wie jeden Abend sein Restaurant ab, wenn die letzten Gäste gegangen sind, satt, glücklich und mit dem Gefühl vom Urlaub am Meer in den Taschen. Er verweilt kurz vor den Fotos, die ihn und meistens seinen Bruder Domenico mit den Promis zeigen, die wissen, was gut ist. Helmut Kohl gehörte zu den Stammgästen am Weinheimer Marktplatz, Hans-Dietrich Genscher, wenn er bei Wahlkampfauftritten in der Gegend war. Reinhold Messner holte sich bei Alberto den Kick für die hohen Berge der italienischen Alpen, Springreiter-Mythos Hans-Günter Winkler ließ sich einen Besuch nicht nehmen, wenn er beim Maimarkt-Reitturnier war – die Liste der Persönlichkeiten ließe sich beliebig fortsetzen. Alberto Ferrarese hat die Rolle des Promi-Kochs immer gerne und mit Bravour gespielt; die Bartspitzen geölt, den goldenen Kochlöffel vor der Brust, vor seinem Restaurant sitzend, die Artischocken mit einem Küchenmesser in der Hand - ein perfekter Gastgeber.
So gehört der Maestro zum Establishment der Rhein-Neckar-Region, ebenso wie sein Bruder Domenico, der so lange schon den Service leitet wie sein Bruder in der Küche steht. Seit fast 50 Jahren. Sie sind den langen Weg als kongeniales Bruderpaar gemeinsam gegangen. Domenico Ferrarese, weiß, was er besonders empfehlen kann aus Küche und Keller, spricht mit den Gästen je nach Bedarf auf Italienisch, Deutsch, Französisch oder Englisch. Dabei angenehm zurückhaltend.
Es gibt die (wohl wahre) Story, dass die späteren SAP-Gründer Dietmar Hopp, Hasso Plattner, Claus Wellenreuther, Klaus Tschira und Hans-Werner Hector Anfang der 70er-Jahre die Gründung ihrer Firma in der „La Cantina“ am Weinheimer Markplatz besiegelten. Sie waren Stammgäste. Ferrarese war der Küchenmeister ihres Erfolgs. Mit einem gewissen Promi-Faktor.
Seine Geschichte liest sich wie die sprichwörtliche „Tellerwäscher zum Millionär“-Story, nur das der Koch eher an Rezepten, Geschichten und Erinnerungen reich geworden ist Aber er kann jetzt im Alter gut leben. Kann unbeschwert reisen in sein Heimatdorf Amatrice, nach Rom, seiner geliebten Stadt, oder nach Paris wo seine Kinder und Enkelkinder leben. Ende der 60er-Jahre kam Alberto Ferrarese, der gerade in Rom eine Kochausbildung absolviert hatte, nach Deutschland. In Worms begann er als Eisverkäufer zu arbeiten, eröffnete später eine eigene Eisdiele, holte die jüngeren Brüder nach: Domenico, Andrea, Mattia. Die vier sind immer zusammengeblieben. Aber Alberto immer der „primus inter pares“. In den 70ern hörten sie, dass Weinheim eine aufstrebende Stadt mit dem vielleicht schönsten Marktplatz der Gegend sei; im Stil einer italienischen Piazza. Sie wechselten über den Rhein an die sonnige Bergstraße, eröffneten eine Disco, eine Eisdiele, dann ein Café – und schließlich jene „La Cantina“, die sich zu einem der besten, weil ursprünglichsten Italiener der Region entwickelte, eine der ersten Adressen der Metropolregion. Stets an seiner Seite im Beruf und Familie: Seine Frau Angelika.
Alberto Ferrarese stieg zum Koch der „Haute-vollée“ auf, wurde Mitglied im renommierten Mannheimer „Kochlöffel-Club“. SWR-Koch Bert Schreiber wurde sein Freund und größter Fan. Wer etwas auf sich hielt, steuerte den Weinheimer Marktplatz an. Legendär sind seine Kochkurse am großen Tisch im hinteren Bereich des geräumigen Gastraums. Dort wurden außergewöhnliche Hobbykoch-Karrieren eröffnet.

Raffaele Mazzucca und Lillo Loggia bleiben in der Küche 

So hat sich Alberto Ferrarese unglaubliche fast 50 Jahre am Weinheimer Marktplatz in der Rhein-Neckar-Region gehalten. Mit echter italienischer Küche. Produktbezogen, schnörkellos, dennoch experimentierfreudig, kurpfälzisch-inspiriert, wie bei seinem Gänsemenü. Mit zugewandter Art, einem ansteckenden Lachen und großer Verbundenheit zu seinen beiden Welten Deutschland und Italien.  Als vor zehn Jahren sein Heimatdorf Amatrice in den Bergen oberhalb von Rom von einem Erdbeben schwer getroffen wurde, organisierte er auf dem Weinheimer Marktplatz ein Benefiz-Kochen. Der Landrat, Bürgermeister und andere Honoratioren schnippelten Speck, Knoblauch und Tomaten für die berühmte Soße und verteilten sie gegen eine Spende an Passanten. Am Ende der Aktion kamen 30 000 Euro zusammen, die Alberto und seine Frau Angelika dem Bürgermeister von Amatrice persönlich überreichten.
Nun geht also eine Ära zu Ende. Am 31. Januar, zu Silvester, hat die „La Cantina“ unter der Leitung der Familie Ferrarese zum letzten Mal geöffnet. Es gibt einen Nachfolger, den sich der Maestro selbst ausgesucht hat, dessen Namen er aber noch nicht verraten will. Es wird ein junger Italiener sein, der die gehobene und ursprüngliche Küche weiter pflegen wird, sagt er. Das Küchenteam – die beiden Küchenchefs Lillo Loggia und Raffaele Mazzucca  – bleibt am Herd. Die beiden Küchenmeister haben ihre Kunst in Italien gelernt und bei Alberto Ferrarese weiter verfeinert. Sie bilden seit über 30 Jahren ein Team an Herd und Ofen und werden die Qualität der „La Cantina“ weiter garantieren.
„Und wenn ich gebraucht werde, sage ich nicht nein“, deutet Ferrarese an. Denn wer sein Leben lang in der Küche gestanden hat, behält ihr Feuer für immer.     

(Erstellt am 19. Dezember 2025)

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