Zwei Jahre Andreas Buske
Weinheims Erster Bürgermeister spricht über Erfolge, Herausforderungen und Zukunftspläne
Am 1. Oktober 2023 trat Andreas Buske sein Amt als Erster Bürgermeister der Stadt Weinheim an. Zwei Jahre später zieht er eine persönliche Bilanz. In einem ausführlichen Gespräch spricht er über digitale Transformation, Stadtentwicklung, Bürgerbeteiligung und seine ganz persönlichen Erfahrungen als Bürgermeister.
Herr Buske, Sie sind nun seit zwei Jahren im Amt. Was war für Sie persönlich die größte Herausforderung in dieser Zeit?
Sich zu Beginn an den deutlich niedrigeren Digitalisierungs- und Transparenzgrad zu gewöhnen, es gab beispielsweise nicht einmal ein Austauschlaufwerk im technischen Dezernat, und gleichzeitig daran zu arbeiten, dies zu ändern. Erschwerend kommt hinzu, dass ich auch als Teil der Verwaltungsspitze wenig persönlichen Entscheidungsspielraum auf ein spezifisches Thema habe, zumindest weniger als in meinen vorherigen Tätigkeiten. Ich habe somit zwangsläufig gelernt, geduldiger zu sein.
Auf welche Projekte oder Entscheidungen der letzten zwei Jahre sind Sie besonders stolz?
Aus Bürgersicht habe ich mich über die dezernatsübergreifende Einführung des digitalen Mängelmelders gefreut. Die Bürgerschaft kann der Stadtverwaltung von unterwegs einfach und bequem Mängel melden und sieht transparent den Bearbeitungsstand. Mittlerweile sind auch die Deutsche Bahn und die Stadtwerke integriert. Stand Ende August waren 900 Meldungen bearbeitet. Top-3-Themen sind Verkehrs- und Parksituation, Straßenschäden sowie Müll und Sauberkeit, die fast die Hälfte der gesamten Meldungen ausmachen.
Aus Mitarbeitersicht bin ich stolz auf unseren begonnenen Transformationsprozess. Wir beschäftigen uns intensiv mit Führung, Veränderungsfähigkeit und Anspruchsgruppenorientierung und gehen neue Wege in der Personalgewinnung und -förderung. So ermöglichen wir mittlerweile eine duale Ingenieurausbildung, einen Traineeeinstieg, haben wichtige Führungspositionen intern mit talentierten Nachwuchsführungskräften besetzt und ein Change Team implementiert.
Wenn Sie zurückblicken: Gibt es Themen, bei denen Sie sich einen schnelleren Fortschritt gewünscht hätten?
Bei schwer zu besetzenden, verantwortungsvollen Stellen, die viel Erfahrung erfordern, wünsche ich mir meine frühere Entscheidungskompetenz aus der Wirtschaft zurück, Zulagen zahlen zu können, um schneller Risiken für Weinheim reduzieren zu können.
Welche Projekte konnten in Weinheim seit Ihrem Amtsantritt entscheidend vorangebracht werden?
Ich habe meinen Beitrag geleistet, dass es – zumindest im Baufeld 5 – im Neubaugebiet „Allmendäcker“ mit dem Geschosswohnungsbau vorangeht. Ebenso beim Hochwasserschutz Ofling, wo ich das Gespräch mit den Grundstückseigentümern gesucht habe, damit wir bei der Umsetzung der Vorzugsvariante des Gemeinderats hoffentlich auf ein aufwendiges Enteignungsverfahren verzichten können.
Und wir kommen mit der Digitalisierung im technischen Dezernat voran. Neben dem erwähnten Mängelmelder und der Einführung eines Computer Aided Facility Management-Systems für den Gebäudebetrieb optimieren wir unsere Energieverbräuche zunehmend mit digitaler Unterstützung. Ferner haben wir im Rahmen eines Pilotprojekts mit den Stadtwerken erste Erfahrungen mit in ein LoRaWAN-System eingebundenen Sensoren gesammelt, die dem Bürger ermöglichen, von zu Hause die Temperatur des Waidsees zu prüfen oder der Feuerwehr den Pegelstand der Weschnitz.
Wirksame Leistungserbringung ist Ergebnis guter Teamleistung, entsprechend habe ich auch einen Transformationsprozess zur kontinuierlichen Verbesserung implementiert, dieses Potential der optimalen Zusammenarbeit noch auszubauen.
Weinheim steht – wie viele Städte – vor großen Aufgaben in Sachen Wohnraum, Verkehr und Klimaschutz. Welche Schwerpunkte haben Sie hier gesetzt?
Zur, gegenüber der konventionellen Bauweise, schnelleren und günstigeren Bereitstellung von Wohnraum haben wir die Anschlussunterbringung in Sulzbach erstmalig in Systembauweise ausgeschrieben und der Gemeinderat hat in seiner Sitzung im Mai den Auftrag entsprechend an die Firma GOLDBECK Südwest GmbH vergeben können. Aus dem Projekt werden wir wichtige Erfahrungen auch für andere städtische Bauvorhaben sammeln.
Ich setze mich für sichere Radwege ein und habe mir dazu mit Bürgern, Verbänden und Experten unser Radnetz angeschaut. Schon im Rahmen der Bürgerbeteiligung der Zukunftswerkstatt wurde offensichtlich, dass wir eklatante „Baustellen“ im Bereich der Radwege haben. Das schlechte Abschneiden beim ADFC-Ranking und die wiederholten Experten-Feedbacks verdeutlichen den großen Handlungsbedarf. Entsprechend habe ich mich gefreut, dass Weinheim eine von 17 Städten in Deutschland ist, die eine Bundesförderung für die Erstellung eines nachhaltigen Mobilitätsplans bekam, um hier im Dialog mit der Bevölkerung geeignete Maßnahmen ableiten zu können.
Beim Thema Klimaschutz haben wir Anfang des Jahres im Gemeinderat ein Klimaschutzkonzept verabschiedet, dessen Umsetzung ich vorantreibe. Aktuell bringen wir ergänzend ein Klimaanpassungskonzept auf den Weg. Mir ist dabei wichtig, dass wir nicht nur die kommunalen Immobilien und Dienstleistungen im Blick haben, da sie nur 2 % der Treibhausgasemissionen ausmachen, sondern auch die Unternehmen und Privathaushalte. Dazu bieten wir zahlreiche Beteiligungsformate wie den Klimakonvoi für Unternehmen oder Veranstaltungen wie „gut saniert“, bei dem private Eigentümer ihre energetischen Sanierungen interessierten Bürgerinnen und Bürgern vorstellen. Dabei wird deutlich, dass viele kleine Schritte in die richtige Richtung erfolgsentscheidend sind, damit Weinheim in den nächsten Jahren treibhausgasneutral wird.
Welche Rolle spielt Bürgerbeteiligung für Sie, und wie wollen Sie die Weinheimerinnen und Weinheimer künftig stärker einbeziehen?
Bürgerbeteiligung ist wichtig, da wir als Stadtverwaltung nicht nur Exekutive sind, sprich der Umsetzer der Bundes- und Landesgesetze sowie der Entscheidungen des Gemeinderats, sondern auch Dienstleister im Bereich der Daseinsvorsorge. Dazu ist es elementar, die Bedürfnisse und Interessen der Bürgerschaft zu kennen.
Bürgerbeteiligung spielt bereits jetzt eine große Rolle für die Stadtverwaltung. Wir haben und bieten auch in diesem Jahr wieder zahlreiche Beteiligungsformate, die meist sehr gut besucht werden. Im Bereich Verkehr beispielsweise Veranstaltungen zum geplanten Radschnellweg und zum nachhaltigen Mobilitätsplan. Im Bereich Wohnen beispielsweise zum Sanierungsgebiet westlich Hauptbahnhof und im November zu Baugemeinschaften.
Im Bereich Umwelt- und Klimaschutz haben wir im vergangenen Jahr das Klimaschutz-Netzwerk Weinheim gegründet, das sich regelmäßig in der Stadtbibliothek trifft und als dessen Schirmherr mein Vorgänger Bürgermeister a.D. Dr. Torsten Fetzner gewonnen werden konnte.
Wie würden Sie die Zusammenarbeit mit Gemeinderat und Verwaltung in den vergangenen zwei Jahren beschreiben?
Die Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat ist positiv und sehr lösungsorientiert. Ich bin sehr dankbar, dass auch die Fraktionen, die mich bei meiner Wahl nicht unterstützt haben, direkt nach der Wahl auf mich zukamen und mir einen Vertrauenszuschuss gegeben haben. Das gleiche gilt für die Verwaltung. Ich stelle den Status quo in Frage und habe den Anspruch einer kontinuierlichen Verbesserung, um unsere Wirksamkeit zu erhöhen. Dies mag zunächst für den ein oder anderen anstrengend erscheinen, weil ich „gestalten“ statt „verwalten“ einfordere. Andererseits ermöglicht gerade dies persönliches Wachstum und Wohlbefinden, weil man sich als wirksam erlebt. Ich fand es klasse, dass wir im Juni beim BASF-Firmenlauf am Hockenheimring das größte kommunale Team gestellt haben.
Welche Impulse wollen Sie als Bürgermeister für ein „Wir-Gefühl“ in der Stadtgesellschaft setzen?
In unserer Wohlfühlstadt Weinheim haben wir dankenswerterweise bereits eine sehr engagierte Stadtgesellschaft, die es zu bewahren und fördern gilt. Die Hälfte der Bürgerschaft ist in Vereinen aktiv bzw. engagiert sich ehrenamtlich, das ist spitzenklasse. Der Austausch mit diesen ist mir wichtig und für mich sehr wertvoll.
Auch die Bürgerbeteiligung ist aus meiner Sicht auf gutem Niveau. Die Heimattage haben mit ihren Projekten und Events ebenfalls positiv auf das „Wir-Gefühl“ eingezahlt.
Neuzugezogene finden durch die zahlreichen Veranstaltungen und Vereine schnell eine neue „Heimat“. Plattformen wie „Zweiburgenhelden“ fördern gemeinnütziges Engagement.
Das heißt, ich kann diese Fülle, die unsere Wohlfühlstadt auszeichnet, nur punktuell noch betonen oder ergänzen, indem ich in meinen Beiträgen und Reden beispielsweise unsere drei städtischen Ziele „lebenswertes Weinheim, nachhaltiges und klimagerechtes Weinheim und Weinheim für alle“ stets in den Mittelpunkt stelle. Vielleicht können wir grafisch noch stärker unsere Liebe zu Weinheim transportieren. Unser Change-Team hat ja schon ein Logo mit dem Heimattageslogan und dem Weinheimlogo kreiert, dieses habe ich mir auf meine Handyhülle, iPad-Hülle und Firmenfahrzeug geklebt. Das wäre einfach skalierbar. Als Fan der globalen Nachhaltigkeitsziele könnte ich mir auch unser Weinheimlogo mit den SDG-Streifen außen herum vorstellen – ganz nach dem Motto „Think global – act local“.
Welche Projekte oder Vorhaben stehen für die nächsten zwei Jahre ganz oben auf Ihrer Agenda?
Bei den Bauprojekten sind das die Kita Kuhweid/Mehrgenerationenhaus, der Ausbau der Ganztagsbetreuung an Grundschulen und, in Abhängigkeit der Entscheidung des Gemeinderats, der Radschnellweg. Konzeptionell wird das Thema Katastrophenschutz und Klimaanpassung ganz oben auf der Agenda stehen, ebenso der Abschluss des nachhaltigen Mobilitätsplans. Verwaltungsintern unser Transformationsprozess. Hohe Wirksamkeit der Stadtverwaltung ist Ergebnis einer Teamleistung, die es zu fördern gilt. Wir werden nun, nachdem wir mit der Kultur- und Strukturentwicklung vorangekommen sind, diese weiter verankern, um das Potenzial der Kolleginnen und Kollegen weiter zu heben, und unser Augenmerk auf Prozesse richten und im Idealfall dezernatsübergreifend mit einem Steuerungskennzahlensystem arbeiten.
Wenn Sie einen Wunsch für die Zukunft Weinheims frei hätten – wie sähe dieser aus?
Vor dem Hintergrund unserer herausfordernden Haushaltslage vor allem eine ausreichende Finanzierung durch Steuern und Zuschüsse, um die zahlreichen Aufgaben und Wünsche nachhaltig erbringen und erfüllen zu können.
Den Rest kriegen wir mit unserer Weinheimer Macher-Mentalität hin!
Wie hat Sie das Amt persönlich verändert?
Mein Alltag hat sich etwas verändert. Ich wohne in der Kernstadt und werde entsprechend beim Einkaufen und Bummeln in der Stadt erkannt und angesprochen – selbst im Sportverein unter der Dusche ist dies schon passiert.
Mit dem Amt spüre ich aber auch die damit verbundene Verantwortung, die ich für das technische Dezernat und unsere Wohlfühlstadt übernommen habe, und möchte diese möglichst wirksam wahrnehmen.
Was gibt Ihnen im Alltag Kraft und Motivation für die Aufgaben als Bürgermeister?
Einerseits die Kraft positiver Beziehungen: Meine Familie, meine Eltern und auch mein Bruder mit Familie leben in Weinheim, genauso habe ich hier noch einen guten Freundeskreis seit Kindergartentagen. Andererseits sportlicher und geistiger Ausgleich: Neben regelmäßigen Joggingrunden durch den Exotenwald trainiere ich ein- bis zweimal die Woche beim TSG Karate. Und ich ziehe Kraft aus inspirierenden Predigten, zum Beispiel von Pfarrer Dr. Royar, aus Treffen mit der Wirtschaftsgilde und vielen interessanten Veranstaltungen hier in Weinheim. Zudem spüre ich Fülle, diese im Rahmen meiner Schriftstellerei zu verarbeiten, beispielsweise in meinem Blog www.papas-philosophie-blog.de